Bilder vom Maler
et Matteo HOFER (illustrateur)
Vielleicht werde ich steinalt. Ich möchte achtzig werden. Malen, bis ich achtzig bin. Die Bilder spülen mich in ein hohes Alter. Immer weiter malen bis achtzig. Noch fünfzig Jahre malen. Ich stehe erst am Anfang. Die Bilder des Jahres 2000. Die Bilder des Jahres 2030. Halte ich durch? Im schmutzigen Beruf. Die Hände noch fünfzig Jahre mit Farben verschmiert. Noch fünfzig Jahre Farbe unter den Fingernägeln. Trauerränder. Die Lehrerin hat einen schwarzen Strich gemacht, wenn ich Trauerränder unter den Nägeln hatte. Vielleicht sollte ich mit Handschuhen malen? In weißen Handschuhen? In schwarzen? Viel- leicht wird es langweilig, weiter- und weiterzumalen? Wann habe ich genug vom Malen?
Martin Disler (1949–1996) genoss internationales Ansehen als Maler, Zeichner und Plastiker. Auch das Schreiben war seit seiner Jugend ein ebenbürtiger, integrativer Teil seines künstlerischen Schaffens. Bilder vom Maler erschien erstmals 1980, geschrieben hatte Martin Disler den Roman in nur wenigen Wochen während einer Flussfahrt in Frankreich.
Er schrieb so, wie er malte: intensiv, direkt, tief, überbordend, obsessiv.
Sommaire
BILDER VOM MALER erschien erstmals 1980 und 1991 in einer dritten und letzten Auflage im AQVerlag Dudweiler. 1996, als Martin Disler starb, war das Buch vergriffen. Nun wird der Roman nach der Veröffentlichung von DIE VERSUCHUNG DES MALERS neu aufgelegt. Martin Disler schrieb BILDER VOM MALER während einer mehr wöchigen Flussfahrt in Frankreich auf dem Schiff seines damaligen Genfer Galeristen Eric Franck. Mit außerordentlicher Sprachkraft erzählt er von der Entstehung der Bilder seiner ersten großen Einzel ausstellung in der Kunsthalle Basel, die ihm 1981 zum internationalen Durchbruch verhalf. Er beschreibt die Vernissage, seine anschließende Flucht nach Venedig, die Suche nach sich selbst.
Genauso wie die Bildsprache seines künstlerischen Werkes ist sein Schreiben spontan und nicht Ergebnis eines gewollten kreativen Prozesses – der Textfluss und die dadurch evozierten Bilder wirken nicht konstruiert, obwohl er seine Texte immer und immer wieder überarbeitet hat. Klang, Rhythmus und Bedeutungsebenen zeugen von seiner impulsiven Kreativität.
Bonus
Am Morgen des 1.3.1989, 6 Uhr 30, zu dieser Zeit könnte ich 40 Jahre alt werden, stellte die gesamte Menschheit mittels speziell präparierten Kleenex-Tüchern und dem Schweiß als ätzende Säure das eigene Abbild her. Ein vollcomputerisiertes Museum speichert das Gesicht der Menschheit, das sie an jenem fernen Morgen tragen wird. Darüber, und in wenigen, abschließenden Pinselstrichen ist das Bild endlich gemalt. Ich lache vor Überreizung. Schimmert über den Umrissen eines fingierten Kontinents nicht das Schweißtuch eines gigantischen Affen auf? Meine Glieder sind zerschlagen; habe ich dreißig Jahre lang kein Auge zugemacht? Jeder Körperteil hängt seinen Erinnerungen nach; und wie ich auf die Straße trete, ist es immer noch Tag.
Es ist jetzt einige Tage später, wenn ich dies schreibe, oder auch nicht, oder nicht nur.
Fiche technique
Prix éditeur : 18,00 €
Collection : livres allemands
Éditeur : PEARLBOOKSEDITION
EAN : 9783952355060
ISBN : 978-3-9523550-6-0
Parution :
Façonnage : cartonné
Poids : 245g
Pagination : 96 pages