Die Versuchung des Malers
et Matteo HOFER (illustrateur)
Unmöglich, den gefräßigen Sog zu beschreiben, den das Schloss vom ersten Moment an auf uns ausübte. War es die gähnende Leere seiner Räume, die Unberührtheit der Wände und Flure, die uns für es einnahmen? War es sein eleganter, erotischer Grundriss? Seine klösterliche Abgeschiedenheit? Schon die ersten Schritte durch die nicht enden wollenden Säle entfachten in uns ein Ver- langen, es niemals wieder zu verlassen.
Martin Disler (1949–1996) genoss internationales Ansehen als Maler, Zeichner und Plastiker. Weniger bekannt ist, dass das Schreiben seit seiner Jugend eine wichtige Rolle in seinem Leben spielte und zunehmend an Bedeutung gewann. In seinem letzten Lebensjahr vermerkte er, es sehe ganz danach aus, dass er inzwischen Schriftsteller geworden sei. Er schrieb so, wie er malte: intensiv, direkt, tief, über- bordend, obsessiv.
Sommaire
BILDER VOM MALER erschien erstmals 1980 und 1991 in einer dritten und letzten Auflage im AQVerlag Dudweiler. 1996, als Martin Disler starb, war das Buch vergriffen. Nun wird der Roman nach der Veröffentlichung von DIE VERSUCHUNG DES MALERS neu aufgelegt. Martin Disler schrieb BILDER VOM MALER während einer mehr wöchigen Flussfahrt in Frankreich auf dem Schiff seines damaligen Genfer Galeristen Eric Franck. Mit außerordentlicher Sprachkraft erzählt er von der Entstehung der Bilder seiner ersten großen Einzelausstellung in der Kunsthalle Basel, die ihm 1981 zum internationalen Durchbruch verhalf. Er beschreibt die Vernissage, seine anschließende Flucht nach Venedig, die Suche nach sich selbst.
Genauso wie die Bildsprache seines künstlerischen Werkes ist sein Schreiben spontan und nicht Ergebnis eines gewollten kreativen Prozesses – der Textfluss und die dadurch evozierten Bilder wirken nicht konstruiert, obwohl er seine Texte immer und immer wieder überarbeitet hat. Klang, Rhythmus und Bedeutungsebenen zeugen von seiner impulsiven Kreativität.
Bonus
Vielleicht werde ich steinalt. Ich möchte achtzig werden. Malen bis ich achtzig bin. Die Bilder spülen mich in ein hohes Alter. Immer weiter malen bis achtzig. Noch fünfzig Jahre malen. Ich stehe erst am Anfang. Die Bilder des Jahres 2000. Die Bilder des Jahres 2030. Halte ich durch? Im schmutzigen Beruf. Die Hände noch fünfzig Jahre mit Farben verschmiert. Noch fünfzig Jahre Farbe unter den Fingernägeln. Trauerränder. Die Lehrerin hat einen schwarzen Strich gemacht, wenn ich Trauerränder unter den Nägeln hatte. Vielleicht sollte ich mit Handschuhen malen? In weißen Handschuhen? In schwarzen? Vielleicht wird es langweilig, weiter und weiter zu malen? Wann habe ich genug vom Malen? Vielleicht ist es Rechthaberei, noch fünfzig Jahre weiter zu malen?? Vielleicht sterbe ich demnächst? Demnächst sinke ich in die Erde hinunter. Herztod, Schmerztod. In der Farbe ersaufen. Von den Bildern erschlagen werden. Aber das Malen hält mich in Trab. Keine Zeit, krank zu werden, keine Zeit zu sterben, ich komme gar nicht dazu. Ich möchte Briefträger sein, Briefe in die Schlitze stecken, wer wenig Post oder keine Post erhält, für den schreibe ich die Briefe und Postkarten unter fingierten Namen selber.
Fiche technique
Prix éditeur : 28,00 €
Collection : livres allemands
Éditeur : PEARLBOOKSEDITION
EAN : 9783952355053
ISBN : 978-3-9523550-5-3
Parution :
Façonnage : cartonné
Poids : 415g
Pagination : 176 pages